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Wie können Männer ihr Sexualleben verbessern? Indem sie mehr auf die Frauen hören!

Eine Sache, die mein Sexualleben im letzten Jahr verbessert hat, ist, dass ich mehr auf Frauen höre. Der christliche Diskurs wird schon zu lange ausschließlich von Männern übertragen. Wir Männer können viel von den Frauen lernen, nicht nur, dass wir die Ungerechtigkeiten erkennen, die sie Tag für Tag erleben

Die Probleme der Kirche mit dem Sex

Vor kurzem hörte ich einen Witz aus der Serie Modern Family (Staffel 11, Kapitel 6). Eine der Protagonistinnen, Haley, zögert mit der Taufe ihrer Kinder. Sie fragt:

– „Wo ist der Haken [bei der Taufe Ihrer Kinder]?“

Ihr Großvater, Jay, antwortet:

– „Nun, es gibt eine Menge Spenden und eine gewisse Scham in Bezug auf Sex. Aber Weihnachten ist in Ordnung.“

Das ist eine Untertreibung. Die Kirche quillt über vor sexueller Scham, begleitet von Tabus und Normativismus, mangelnder Klarheit und Schuldgefühlen, hohen Erwartungen und Negativität. Wenn jemand mit einer engen Verbindung zu einer Freien evangelischen Gemeinde aufgewachsen ist, wird Sex für diese Person als Erwachsener höchstwahrscheinlich eine Quelle der Frustration sein. Das war meine Erfahrung – sowohl für mich persönlich als auch für Menschen in evangelischen Gemeinden um mich herum (Englisch „protestant churches“, Spanisch „iglesias evangélicas/protestantes“). Ich bezweifle, dass andere Kirchen das Thema Sex besser behandeln. Ich weiß, dass einige Menschen in evangelischen Gemeinden aufgewachsen sind und nicht erkennen, wovon ich spreche. Meiner Meinung nach sollten sie sich als privilegierte Ausnahmen verstehen. Allerdings glaube ich nicht, dass Gott uns zu sexueller Frustration im Leben verdammen möchte. Das Hohelied Salomos im Alten Testament verströmt Freiheit und Sinnlichkeit. Wie sind wir also bis hierhergekommen?

Schulen, Forschung, Populärkultur

Nun, Kirchen und Gemeinden sind nicht schuld an allem. In der Schule lernen wir über Genitalien und Vulven, Drüsen und Schläuche, Hoden, Kondome und Schwangerschaftsverhütung. Aber  jenseits der Anatomie? Sie sagt uns wenig über Wünsche, Praktiken oder gar Körperfunktionen. Ich glaube, Jungen wissen wenig darüber, wie sie sich verhalten sollen, wenn ein Mädchen während der Menstruation Flecken an der Kleidung hat. Mädchen wissen wenig darüber, dass Erektionen in der Teenager-Phase oft zufällig auftreten. Noch viel weniger glaubt uns jemand erklären zu können, dass die sexuelle Reaktion und das sexuelle Interesse von Frauen und Männern in der Regel unterschiedlich sind: spontan bei Männern (sexuelles Begehren ist oft einfach da), während bei Frauen das Interesse als Reaktion nach einer Anfangsphase des Küssens, Streichelns (responsives Begehren) erscheint. Lesen Sie mehr in diesem Blogpost von Bonny Burns[1]  oder in dem originelen Artikel von Basson[2] .

Modell von Basson

Wenn uns Informationen  in den Schulen nicht vermittelt werden, dann deshalb, weil diese Daten auch in der Forschung fehlen. Bis vor einigen Jahrzehnten galt das typisch weibliche, reaktionsfähige Begehren als Ausnahme, der innere Teil der Klitoris war unbekannt, und es gab Diskussionen über die Anzahl der Arten von weiblichen Orgasmen: ein, zwei, drei?

Verschärft wird dies durch die Populärkultur, die wir hauptsächlich durch Serien, Filme oder Romane erhalten. Sexuelle Szenen neigen dazu, aus dem gleichen Muster geschnitten zu sein: Kuss, intensiver Kuss, Ausziehen, Choreografie der strahlenden Körper, musikalisches Stöhnen, synchronisierter Orgasmus, abschließende Liebkosungen. Eine idealisierte sexuelle Begegnung wird verinnerlicht, die, seien wir ehrlich, mit dem Alltag eines Paares wenig zu tun hat.

Christliches Mansplaining

Aufklärung, Wissen, Pop-Kultur, sexuelle Kommunikation fehlen in vielen Bereichen, aber das Problem spitzt sich in vielen Kirchen zu. Ich denke, dafür gibt es mehrere Gründe: Tradition, Ignoranz, mangelnde Kommunikation… Aber ein spezifischer Aspekt der Kirche ist die Tatsache, dass das Gespräch hauptsächlich von Männern geführt wird. Warum? Gerade dort haben Männer Leitungspositionen inne: sie sind Pastoren, Jugendpastoren, Prediger… Und diese Männer nehmen eine prägende Rolle im Sexualkundeunterricht wahr. Das Problem besteht darin, dass viele von ihnen das Gefühl haben, selbst nicht viel zum Thema Sexualität beitragen zu können, weil sie selbst grundlegende Probleme mit ihrer Sexualität haben. Dazu kommt, dass sie nur geringe Chancen haben, mit anderen Menschen darüber zu sprechen. Sie reagieren also so, wie viele von uns auf Unsicherheit reagieren: Sie übertreiben, um ihre eigene Unsicherheit zu kompensieren. Das Predigen über die Unterdrückung des Fleisches verschafft ihnen dann in religiösen Kreisen mehr Prestige, als fröhlich über das Hohelied Salomos und Erotik zu sprechen.

Aus dem Mund vieler Prediger ist Sex eine Quelle von Problemen und verursacht fast ausschließlich Sünde. Man lernt, dass es besser ist, nicht viel zu begehren, nicht viel darüber nachzudenken, nicht viel zu variieren, nicht viel zu praktizieren, nicht viel darüber zu sprechen, nicht viel darüber zu lesen. Die Mottos lauten:

    – Motto 1: „Bekämpfe die Versuchung!“

    – Motto 2:  „Kein Sex  vor  der Ehe!“

    – Motto 3: „Sex ist ein Geschenk Gottes: Nach der Hochzeit wird es PERFEKT sein.“

Sie sind also verheiratet, und es ist nicht perfekt? Nun, gehen Sie zurück zu Motto 1, denn Sie halten sich immer noch nicht genug zurück.

Eine neue christliche Sexualkultur

Wir sollten diese kirchlichen Angewohnheiten verändern. Hören wir auf mit der Repression und entwickeln wir eine neue christliche Sexualkultur: biblischer, ausgewogener, realistischer, positiver, vielfältiger, offener.

Denk an ein Buch aus der indischen Kultur. Vielleicht ist dir als erstes das Kamustra eingefallen. Wie schön wäre es, wenn das Hohelied Salomos den Leuten einfallen würde, wenn die Leute an Kirchen denken!

Lassen Sie uns informieren, Sex thematisieren, darüber diskutieren, Erfahrungen, Traumata, Lösungen und Freuden austauschen. Vor allem mit unserem Partner, aber auch in weiteren Kreisen. Deshalb habe ich mich entschlossen, zum ersten Mal über Sex zu schreiben und dies über den Blog Schönerlieben zu tun. Vielleicht, zwischen Blogposts und Dildos, gelingt es uns, das Sexualleben einiger Christen zu verbessern.

Schön und gut. Aber wie fängt man an, eine Kultur der jahrhundertelangen Unterdrückung zu verändern? Persönlich beschloss ich, mich zunächst einmal selbst zu informieren und die Diskussion über diese Quellen fortzusetzen.

Eine Sache, die mein Sexualleben im letzten Jahr verbessert hat, ist, dass ich mehr auf Frauen höre. Der christliche Diskurs wird schon zu lange ausschließlich von Männern übertragen. Wir Männer können viel von den Frauen lernen, nicht nur, dass wir die Ungerechtigkeiten erkennen, die sie Tag für Tag erleben. Das kann auch dazu beitragen, viele Macho-Totems zu Fall zu bringen, in denen wir alle gefangen sind: Frauen und Männer.

Lehren, die Frauen den Männern vermitteln können

Von Frauen lernen
Photo by Birmingham Museums Trust on Unsplash

Erstens hilft das Hören auf die Stimmen von Frauen, die Wissenslücken zu füllen, auf die ich zuvor hingewiesen habe. Lassen Sie uns akzeptieren, dass Männer und Frauen zu unterschiedlichen sexuellen Reaktionen neigen, dass ihre sexuellen Interessen unterschiedlich sein können, dass Sex für Männer und Frauen unterschiedliche Dinge darstellen kann. Ein entscheidender Aspekt ist es, zu lernen, wie man über Sex, vor allem zwischen Partnern, kommuniziert, wie sich Tabus abbauen lassen, zu lernen, dass die Wünsche beider Partner akzeptabel sind, die Dinge beim Namen zu nennen und nicht Intimität zu sagen, wenn wir Koitus meinen.

Zweitens neigen Frauen und Männer dazu, unterschiedliche Routinen und Arten der Beziehung zu ihrem Körper zu haben. Es wird oft gesagt, dass Frauen tendenziell weniger über ihre Genitalien wissen als Männer. Dies hat einen anatomischen Aspekt: die weiblichen Genitalien sind hauptsächlich intern, die männlichen Genitalien überwiegend extern. Das steht jedoch oft auch im Zusammenhang mit anderen Komponenten, wie mit der Tatsache, dass Männer ihren Penis viel häufiger berühren als Frauen, z. B. beim Urinieren. Obwohl Frauen dazu tendieren, sich weniger auf ihre Genitalien zu beziehen, widmen sie oft anderen Teilen ihres Körpers durch verschiedene Gewohnheiten mehr Aufmerksamkeit. Das Einseifen des Körpers während eines langen Bades, Dehnungsübungen, die Verwendung von Körperlotionen oder -cremen sind Gewohnheiten, die wir eher mit Frauen als mit Männern in Verbindung bringen. Es kann für uns Männer interessant sein, den Phallus beiseite zu lassen und von Frauen zu lernen, wie wir mit anderen Teilen unseres Körpers in Beziehung treten können.

Drittens tendieren Frauen und Männer dazu, kategorisch unterschiedliche Ansichten zu zwei heiklen Themen zu vertreten: Masturbation und Pornografie. Der Film Don Jon (mit Joseph Gordon-Levitt und Scarlett Johannsson in den Hauptrollen) porträtiert viele Aspekte dieser Diskussion, z. B. wenn der Protagonist in der Niederlage akzeptiert, dass er ohne Pornos nicht masturbieren kann. Viele Frauen werden überrascht sein, zu erfahren, dass viele Männer ohne irgendeine Art eines visuellen Stimulus (am Bildschirm oder Kopfkino) nicht masturbieren können. Viele Männer glauben im Ernst, dass Masturbation immer mit dem Konsum von Pornografie einhergehen sollte, und sie ordnen beides der gleichen Kategorie zu. Im Gegensatz dazu sehen die meisten Frauen, auch Christinnen, Pornografie und Masturbation sehr unterschiedlich: Das eine ist schrecklich schädlich, das andere harmlos. Und für sie ist klar: Masturbation muss nicht von Pornos begleitet werden. Das ist eine befreiende Idee, die nur erreicht werden kann, wenn die Männer ein wenig den Mund halten und lernen, ihnen zuzuhören.

Doch halt! Ich sage nicht, dass Frauen alle Lösungen haben, und ich sage auch nicht, dass sie nicht ihre eigenen Probleme haben. Aber sie können uns Ideen und Lösungen anbieten, die der Durchschnittsmann einfach ignoriert.

Nachdem ich mehrere Bücher über Sex gelesen hatte, die von Frauen geschrieben wurden, fand ich endlich eines, das von einem Mann geschrieben wurde, das ein positives Bild zum Thema Sex zu vermitteln schien. Aber beim Lesen fand ich darin wieder einen Stil und Botschaften vor, die viel dunkler und negativer waren als die, auf die ich kürzlich zugegriffen hatte. Das Wort Sex wird bei männlichen Autoren eher mit anderen Wörtern assoziiert, wie z. B. Kampf, Ärger, Versuchung, Egoismus, Drang, Sucht… In christlichen Büchern, die von Männern geschrieben wurden, wird die Botschaft vermittelt, dass Sex grundsätzlich schlecht ist, von einigen Ausnahmen abgesehen.

Beispiele von Frauen, von denen ich viel gelernt habe

Viele Frauen haben mir im letzten Jahr geholfen, viele falsche Assoziationen zu vergessen. Unter diesen ist meine Frau diejenige, die am wichtigsten war, mit der ich stundenlange, erschöpfende Gespräche geführt habe. Dank ihr ist es mir gelungen, einige schwer lastende Grabsteine loszuwerden, die mich, ja, uns wirklich unterdrückt hatten. Doch ich habe verschiedene Autorinnen gelesen, gehört und gesehen, die ich gerne empfehlen möchte:

  • Veronika Schmidt: Christliche Sexologin mit Sitz in der Schweiz. Sie hatte den größten Einfluss auf mich in Bezug Sex in den letzten Jahren. Ihre Ideen über die Kommunikation als Paar, ihre Vorschläge für körperliche Übungen, wie Sexualität im täglichen Leben gelebt werden kann, oder Gedanken über die Erziehung unserer Kinder haben mich geprägt. Sie können über Bücher, Videos oder ihren Blog auf sie zugreifen.
  • Sex-Chat for Christian Wifes: Podcast von vier amerikanischen Bloggerinnen (Bonny Burns, Gaye Christmus, J. Parker und Chris Taylor), der an Frauen gerichtet ist (obwohl auch ich viel dabei gelernt habe!). Jedes Kapitel ist etwa 30 Minuten lang und befasst sich mit spezifischen Themen. Einer der bereichernden Aspekte dieses Podcasts ist seine Polyphonie, d. h. die Vielfalt der Stimmen und Meinungen. Obwohl sie in den meisten Gesichtspunkten und Grundlagen übereinstimmen, weisen sie in vielen Aspekten auch auf Meinungsverschiedenheiten hin. Für die Zuhörer ist das eine klare und gesunde Botschaft: Es ist völlig normal, dass wir unterschiedliche Meinungen haben! Jede der Autorinnen hat weitere, eigene Blogs und Publikationen.
  • Knowing Her Sexually: Tatsächlich haben zwei der Autorinnen (J. Parker und Chris Taylor) vor kurzem ein weiteres Projekt gestartet, das aus einem Blog und einem Podcast besteht. In diesem Fall geht es um zwei Frauen, die sich an Männer wenden, mit noch kompakteren und direkteren Kapiteln als im vorherigen Fall.
  • Sex for Dummies: Wenn „For dummies“-Bücher in vielen Dingen gut sind, verstehe ich nicht, warum sie nicht auch gut in der Sexualität sein sollten. Und in der Tat, es ist ein sehr gutes Buch. Seine Autorin ist Ruth Westheimer, und es ist wahrscheinlich das Buch, das sich mit den verschiedensten Aspekten der Sexualität auseinandersetzt, in einer technischen, zugleich aber persönlichen Art und Weise.
  • Intimate Issues: Ein Buch, das von zwei Amerikanerinnen (Linda Dillow und Lorraine Pintus) fast wie ein Andachtsbuch geschrieben wurde. Ich denke, es beschreibt und repräsentiert viele Vorstellungen (positive und negative), die Frauen (und teilweise Männer), die mit der Zugehörigkeit zu einer Gemeinde aufgewachsen sind, typischerweise über Sex vertreten. Das alles wird in einem sehr persönlichen Stil behandelt.
  • Ann-Marlene Henning: Die Autorin ist ein deutscher TV-Klassiker, die es schafft, unterschiedliche Befindlichkeiten in ihr Programm und ihre Bücher zu integrieren. Obwohl sie zahlreiche Bücher geschrieben hat, habe ich hauptsächlich auf ihre Make-Love-Serie zugegriffen, die aufgrund des Mediums manchmal expliziter und klarer ist als die anderen vorgeschlagenen Medien.

Dies sind nicht die einzigen Bücher, es sind dennoch einige, die ich empfehlen kann. Das Wichtigste ist, mit der Veränderung zu beginnen. Und das, mit dem Lesen der Werke von Frauen, erscheint mir vernünftig, effektiv und fair.


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Jose Calvo ist Ehemann und Vater, und arbeitet als Forscher in den Geisteswissenschaften. Das Hohelied Salomos in der Bibel ist eins seiner Lieblingsbücher.

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